Deutscher Gewerkschaftsbund

Deutscher Gewerkschaftsbund
DGB

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Deutscher Gewerkschaftsbund,
 
Abkürzung DGB, föderativ strukturierter Dachverband von acht (seit März 2001; ver.di) autonomen (Finanz-, Tarif-, Personalhoheit) Mitgliedgewerkschaften, die meist nach dem Industrieverbandsprinzip Arbeiter, Angestellte und Beamte organisieren. Der DGB ist ein nicht rechtsfähiger Verein; er wurde 1949 in München gegründet, Sitz: Düsseldorf.
 
Der DGB trat an die Stelle der 1933 zerschlagenen Gewerkschaftsbünde, unterscheidet sich jedoch wesentlich von diesen: Die Richtungszusammenschlüsse (christliche, freie und Hirsch-Dunckersche Gewerkschaften) wurden durch die Einheitsgewerkschaft (parteipolitische Unabhängigkeit, weltanschauliche Toleranz), die Berufsverbände durch (damals) 17 Gewerkschaften und Industriegewerkschaften (»ein Betrieb - eine Gewerkschaft«) abgelöst. Auseinandersetzungen um das Organisationsprinzip führten 1948 zum Ausscheiden der im DGB der britischen Zone organisierten Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (Angestelltengewerkschaften), Differenzen über die parteipolitische Neutralität zum Ausscheiden christlicher Arbeitnehmer (christliche Gewerkschaften).
 
Der DGB vereinigt die Mitgliedsgewerkschaften zu einer wirkungsvollen Einheit und vertritt ihre gemeinsamen Interessen. Der DGB und die in ihm vereinigten Gewerkschaften vertreten die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer. Der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften bekennen sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung; sie setzen sich ein für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates, die Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft sowie die Schaffung eines vereinten Europa mit demokratischer Grundordnung. Sie sind unabhängig von Regierungen, Parteien, Religionsgemeinschaften, Verwaltungen und Arbeitgebern; ihr Aufbau ist demokratisch. In der allgemeinen Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik tritt der DGB ein für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung. Der DGB stärkt die internationale freie Gewerkschaftsbewegung, unterstützt die europäische Einigung und fördert die soziale Integration der ausländischen Arbeitnehmer; er verteidigt die Grundrechte, die Unabhängigkeit der Gewerkschaftsbewegung sowie die Wahrnehmung des Widerstandsrechts (Artikel 20 Absatz 4 GG). Die sozialpolitischen Ziele des DGB sind v. a. die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in der nationalen und internationalen Sozial- und Gesundheitspolitik einschließlich des Umweltschutzes, in der Sozialversicherung einschließlich ihrer Selbstverwaltung, in der Arbeitsmarktpolitik und Arbeitssicherheit, im Arbeits- und Sozialrecht, im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht sowie im Rechtsschutz. In der Wirtschaftspolitik setzt sich der DGB für die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und für die Demokratisierung von Wirtschaft und Verwaltung durch Ausbau der Mitbestimmung ein. In der Vermögenspolitik und Wirtschaftsplanung werden Arbeitnehmerinteressen ebenso vertreten wie in der Konjunktur-, Struktur-, Geld-, Finanz-, Steuer-, Preis-, Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik. In der Kulturpolitik vertritt der DGB die Arbeitnehmerinteressen durch Förderung einer fortschrittlichen nationalen und internationalen Bildungs- und Kulturpolitik, insbesondere Schul- und Hochschulpolitik, Berufs- und Weiterbildungspolitik, politischer Bildung und gewerkschaftlicher Schulung auf allen Ebenen mit dem Ziel der Verwirklichung von Chancengleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Demokratisierung. Gegenüber Parlamenten, Regierungen und Behörden (auch der EU) vertritt der DGB die gewerkschaftlichen Auffassungen und unterbreitet entsprechende Forderungen. Der DGB fungiert auch als Spitzenorganisation in Fragen des Beamten- und Besoldungsrechts und nimmt die ihm zugewiesenen Aufgaben in den Organen der EU wahr.
 
Organe sind der Bundeskongress (gewählte Delegierte der Mitgliedsgewerkschaften), der in der Regel alle vier Jahre zusammentritt, der Bundesvorstand (fünf Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes, acht Vorsitzende der Einzelgewerkschaften), der Bundesausschuss und die Revisionskommission. Regional ist der DGB in 12 Landesbezirke gegliedert. Die Landesbezirke bilden im Einvernehmen mit dem Bundesvorstand Kreise, von denen es 139 gibt. Finanziert wird der DGB durch die Mitgliedsgewerkschaften, die 12 % ihrer Beitragseinnahmen abführen.
 
Ein Strukturproblem seit Gründung des DGB stellt die Kompetenzverteilung zwischen den autonomen, mitgliederstarken Mitgliedsgewerkschaften, die über einen maßgebenden Einfluss auf wichtige gewerkschaftspolitische Entscheidungen verfügen, und dem DGB dar. Verschiedene Anläufe zu einer Strukturreform und Satzungsänderungen konnten jedoch die Position des Dachverbandes bislang nicht wesentlich stärken. Intensiviert wird die Reformdiskussion v. a. durch Mitgliederverluste einiger Mitgliedsgewerkschaften und des DGB selbst, nicht zuletzt aufgrund der personellen und organisatorischen Anforderungen des deutschen Einigungsprozesses. Einige organisatorische Strukturentscheidungen traf bereits der DGB-Kongress von 1994, indem u. a. die Personengruppenarbeit des DGB für Angestellte und Arbeiter aufgegeben, für Beamte reduziert und die Mitgliederzahl in verschiedenen Organen des DGB vermindert wurde.
 
Nach der Liquidation der Neue-Heimat-Gruppe und den Ereignissen um die co op AG (»co op«-Gruppe) hat der DGB sein Engagement in der »Gemeinwirtschaft« aufgegeben und sich von gemeinwirtschaftlichen Unternehmen getrennt. Soweit der DGB über die Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft des DGB mbH (VTG) und über die BGAG Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften AG noch Unternehmen besitzt oder an ihnen beteiligt ist, handelt es sich um solche, die unmittelbar der gewerkschaftlichen Arbeit dienen, mittelbar die politischen und kulturellen Aufgaben des DGB unterstützen, oder um verbliebene Minderheitsbeteiligungen früherer Gewerkschaftsunternehmen. - Der DGB ist Mitglied des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG); sein Vorsitzender gehört dessen Vorstand an.
 
Vorsitzende des DGB:
 
H. Böckler (1949-51), C. Fette (1951/52), W. Freitag (1952-56), W. Richter (1956-62), L. Rosenberg (1962-69), H. O. Vetter (1969-82), E. Breit (1982-90), H.-W. Meyer (1990-94), D. Schulte (1994-2002), M. Sommer (seit 2002).
 
 
A. Klönne u. H. Reese: Die dt. Gewerkschaftsbewegung (1984);
 G. Leminsky u. B. Otto: Politik u. Programmatik der Dt. Gewerkschaftsbewegung (21984);
 K. Schönhoven: Die dt. Gewerkschaften (21988);
 M. Schneider: Kleine Gesch. der Gewerkschaften (1989);
 M. Fichter: Einheit u. Organisation. Der D. G. im Aufbau 1945 bis 1949 (1990);
 
Reform des D. G., hg. v. T. Leif u. a. (1993);
 H. Limmer: Die dt. Gewerkschaftsbewegung (131996);
 H.-U. Niedenhoff: Gegenmacht oder Gestaltungskraft? Die Entwicklung der DGB-Grundsatzprogramme (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Gewerkschaften: Einig sind wir stark!
 

Universal-Lexikon. 2012.

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